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10.11.20 –
Aufgrund der Wichtigkeit und des gesellschaftlichen Diskurses um das Bauvorhaben der
Stralsunder Straße 47/48 wollen wir die Vorlage zum gemeindlichen Einvernehmen in der Bürgerschaft behandelt wissen. Derzeit wird die Vorlage in einer Hauptausschusssitzung auf der Tagesordnung stehen. Wir werden uns aber dafür stark machen, dass die Verwaltung und der Hauptausschuss das Thema auf die Tagesordnung der Bürgerschaft am 16.12.2020 setzen. In der Sitzung am 16.12. soll auch die Veränderungssperre für das Gebiet des Masterplans der Steinbecker Vorstadt beschlossen werden. Die Veränderungssperre kann jedoch nicht für die Stralsunder Str. 47/48 beschlossen werden, weil das Grundstück in der Erweiterung des Sanierungsgebiets Innenstadt/Fleischervorstadt liegt, auf dem eine Veränderungssperre nicht möglich ist. Die Entscheidung über die Bewilligung des Baus liegt beim zuständigen Bauamt der Stadt Greifswald, das sich an geltendes Baurecht zu halten hat. Unsere Bündnisgrüne Fraktionsposition dazu ist, dass wir das Einvernehmen verweigern werden. Diese Position begründen wir im Folgenden:
Der Masterplanprozess für die Steinbecker Vorstadt ist - eigentlich - ein sehr gelungenes Beispiel für Bürger*innenbeteiligung. Wir sind sehr unglücklich über den parallelen Verlauf der Planung zum Bauprojekt Stralsunder Straße 47/48. Das größte Versäumnis ist aus unserer Sicht, dass trotz der medialen Öffentlichkeit die Investoren den Masterplanprozess nicht bei der Fortentwicklung proaktiv mitgedacht haben. Dies hätte den ganzen Prozess harmonisiert und nicht den status quo der Politisierung einer privaten Baumaßnahme geschaffen. Deshalb sind auch wir der Meinung, dass der Masterplanprozess durch die parallele Bauplanung konterkariert wurde.
Es liegen verschiedene Rechtsgutachten mit unterschiedlichen inhaltlichen Bewertungen des geplanten Baus vor. Hier wünschen wir uns dringend die Einholung eines eigenen Rechtsgutachten von der Verwaltung, welches zu den Streitpunkten Stellung bezieht und somit endlich Transparenz in den Prozess des Baugenehmigungsverfahrens bringt. Letztlich liegt die rechtliche Bewertung aber beim Baudezernat: Im Fall eines begünstigenden Baubescheides kann die Verwaltung die Verweigerung des Gemeindlichen Einvernehmens heilen. Das heißt, selbst wenn wir in der Bürgerschaft das gemeindliche Einvernehmen verweigern, kann die Baubehörde das Verfahren an sich ziehen und die Baugenehmigung erteilen.
Weiterhin möchten wir auf wesentliche inhaltliche Streitpunkte eingehen: Insgesamt soll in dem Viertel der Steinbecker Vorstadt, wie im Masterplan festgehalten, sozial durchmischtes Wohnen entstehen. Dies beinhaltet sowohl soziale als auch höherpreisige Wohnformen. Die Preise der Wohnungen in dem Gebäude der Stralsunder Straße 47/48 sollen bei 8,50-10,50 Euro (kalt) liegen. Das ist kein soziales Wohnen, sondern eher für die obere Mittelschicht erschwinglich. Würde das Haus gebaut, wären 48 der 150 Wohneinheiten, die noch für die Steinbecker Vorstadt geplant sind, schon richtungsweisend gesetzt und die anderen 102 WE müssten dann entsprechend niedrige Wohnpreise umfassen. Diese weiteren Wohneinheiten wären aber jedenfalls mit dem Beschluss der Veränderungssperre, die am 16.12. in der BS Sitzung verhängt werden soll, gesichert und damit überwiegend sozialer Wohnraum. Gerade für Familien sind auch bezahlbare Drei- und Vierraum-Wohnungen wichtig und sollen im Stadtteil Steinbecker Vorstadt bedacht werden. Deswegen wurde dies auch so explizit in dem Masterplan festgehalten.
Außerdem wird, aus unserer Sicht zu Recht, die ressourcen- und klimabelastende Bauweise kritisiert. Wünschenswert und - notwendig - wäre gewesen, statt "same old", hier, gerade bei der geplanten Gebäudegröße, auf zukunftsfähige Energieträger zu setzen. Priorität eins ist selbstverständlich, dass wir Teile der Steinbecker Vorstadt wiedervernässen wollen. Dem steht das geplante Gebäude - so die Aussage der Investoren - nicht entgegen. Wir bitten auch hier die Verwaltung sorgfältig zu prüfen, um nicht vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. An manchen Stellen hat die Verwaltung bei der Planung auf die Ziele des Masterplans hingewiesen. Das hat leider nicht zu mehr Konformität mit dem Masterplan geführt, sondern die Sache eher verschlimmbessert. Beispielsweise entstand so erst die Tiefgarage. Diese wurde auf Anregung der Verwaltung geplant, um weniger Flächen zu versiegeln und die Autos "unsichtbar" zu machen. Es handelt sich dann aber auch um keine autofreie Zone und macht die weitere Planung des autofreien Stadtteils sehr schwierig. Zwar müssen beim Bau von Wohnungen auch eine bestimmte Anzahl an Parkplätzen geplant werden, es ist aber durchaus möglich, den Bau zumindest teilweise durch Zahlung einer Ablösung zu ersetzen, oder wie im Masterplan vorgeschlagen, Parkplätze am Rand des Stadtteils zu bauen.
Auch bei der Höhe haben wir aus städtebaulicher Sicht große Bedenken, gerade in Bezug auf die direkten Nachbargrundstücke, und teilen die vorgebrachte Kritik unbedingt. Hier müssen wir auf die Bewertung durch die Verwaltung vertrauen - diese nimmt die baurechtliche Bewertung vor. Wir können hier also rechtlich unsere Vorstellungen nicht durchsetzen. Wir appellieren aber auch hier an die Verwaltung, da verschiedene Gutachten mit unterschiedlichen Auffassungen vorliegen, auf sorgfältige Prüfung. Aus unserer Sicht wäre daher das schon angesprochene zusätzliche Gutachten sinnvoll, was die Verwaltung einholen sollte.
Wir erkennen die Schwierigkeiten der Erhaltung des Altbaus aufgrund des unterliegenden Industriemülls an und akzeptieren die Entscheidung der Landesdenkmalschutzbehörde, dass ein Neubau an dieser Stelle realistischer ist als der Erhalt des Altbaus. Allerdings sind Art und Ausmaß des geplanten Neubaus aus unserer Sicht definitiv überdimensioniert. Hier ist uns, wie im Masterplan beschlossen, eine vorsichtige Erschließung des Gebiets wichtig. Diese extreme Verdichtung der geplanten Bebauung ist das Gegenteil von den Inhalten des Masterplans.
Schließlich möchten wir auf die sensible Stelle der geplanten Bebauung in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt und zum Museumshafen hinweisen. Sie sollte sich unbedingt in das Stadtbild einfügen. Trotz des abgelehnten Schutzantrages des Denkmalamts des Landes Mecklenburg-Vorpommern muss an dieser Stelle achtsam gebaut werden, zumal die Höhe und Massivität der in Abrede stehenden Bebauung die geschützte historische Nord-Ansicht der Stadt in einem - aus unserer Sicht - nicht vertretbaren Ausmaß beeinflussen würde.
Langfristiges Ziel ist es, das Gebiet der Steinbecker Vorstadt ohne Industriezweige zu einem Kultur- und Wohngebiet zu umzuwidmen. Dafür ist auch ein gutes Miteinander wichtig. Wir hoffen, dass es zu keinen Nutzungskonflikten mit dem historischen Museumshafen sowie dem Kultur- und Initiativenhaus STRAZE kommen wird und dass die Verwaltung bei der Genehmigung die Fensterschallschutzstärke in Kombination mit dem Lüftungssystem prüfen wird. Nach so einem intensiv ausgehandelten Masterplan wäre ein dauerhafter Nutzungskonflikt in diesem Stadtteil mehr als eine Farce.
Die Fragestellung ist ebenfalls, wie wir uns eine künftige Entwicklung in der Steinbecker Vorstadt vorstellen. Dies hatte sich aus unserer Sicht eigentlich mit dem Masterplan geklärt. Wir wollen aber auf jeden Fall keine Industriebrache und auch keine lärmerzeugende Industrie im Quartier. Insofern haben wir ein Interesse daran, dass das Grundstück prinzipiell bebaut und Wohnraum an dieser Stelle geschaffen wird. Für den Fall, dass sich die geplante Bebauung mit all den uns zur Verfügung stehenden politischen Mitteln nicht verhindern lässt, haben wir mit dem Investor folgende zusätzliche Maßnahmen besprochen: den Quartiersspielplatz, die Drainsteine, die geringere Höhe sowie die Lastenfahrradstellplätze. Dennoch möchten wir auch der Verwaltung signalisieren, dass ein Öffentliches Interesse an diesem Bauprojekt besteht und wir mit der aktuellen Planung, sollte sie eine Baugenehmigung werden, nicht zufrieden sind.
Sollten nun noch Fragen offen sein oder neue aufgeworfen werden, stehen wir als Fraktion auch weiterhin gern für Gespräche zur Verfügung.
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