Rund um die Geburt

Fachgespräch im Greifswalder Wahlkreisbüro

05.03.15 –

Auf Sylt kann kein Kind mehr geboren werden. Da es dort keine Geburtsstation mehr gibt, müssen alle Schwangeren zwei Wochen vor dem Entbindungstermin in eine Klinik auf dem Festland umziehen. Erwartet uns ein ähnliches Szenario zukünftig im Kreis Vorpommern-Greifswald?
Diese Frage diskutierten am vergangenen Donnerstag rund 20 Gäste anlässlich der Vernissage zur Ausstellung „Das erste Gesicht“ im Wahlkreisbüro von Ulrike Berger, MdL für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Die Fotoausstellung zeigt Hebammen aus Norddeutschland, unter anderem auch aus Schwerin.
„In den letzten 10 Jahren wurden in Deutschland rund 300 Kliniken geschlossen“, führte Michaela Skott, Vertreterin des Elternprotestes „Hebammenunterstützung“ aus, „Sein oder Nichtsein einer Geburtsstation hängen von den dortigen Geburtenquoten ab.“
Die Klinik Wolgast z.B. liegt mit rund 400 Geburten am unteren Rand der Quote. Je weniger Geburten an einer Klinik durchgeführt werden, umso weniger Routine haben die Geburtshelfer_innen. Das kann bei komplizierten Fällen fatale Folgen haben.
Einer der anwesenden Kinderärzte setzte sich daher in der Diskussion für das schwedische System mit zentralisierten großen Kliniken ein, in denen jährlich über 1000 Geburten durchgeführt werden.
Dem widersprachen nicht nur Michaela Skott, sondern auch die anwesenden Mitarbeiter_innen der Wolgaster Klinik. Mangelnde Routine ließe sich ausgleichen, indem die Geburtshelfer_innen an anderen Kliniken Erfahrungen sammelten.
Ulrike Berger verwies darauf, dass die hohe Zahl der Tourist_innen auf der Insel Usedom und ihrem Hinterland eine Geburtshilfestation am Standort Wolgast unbedingt notwendig mache. Denn Komplikationen können in jeder Phase der Schwangerschaft auftreten und dann ist es gut eine Station in seiner Nähe zu wissen. „Ich möchte schwangeren Urlauberinnen nicht empfehlen müssen, zukünftig ihre freien Tage lieber in einer anderen Region zu verbringen, in der die medizinische Versorgung sichergestellt werden kann,“ so Berger, die selbst im Wolgaster Krankenhaus zur Welt kam.
Die Ausdünnung, die kleinen Kliniken im Kreis droht, ist bei den Hebammen schon längst angekommen. „Im ländlichen Raum gibt es kaum noch Hebammen. Schwangere müssen daher jetzt schon für eine gute Betreuung weite Wege zurücklegen“, so Silke Gajek, sozialpolitische Sprecherin der GRÜNEN Landtagsfraktion, „wir brauchen einen Sicherstellungsauftrag für diese Leistungen. Kliniken, wie die Wolgaster, dürfen nicht geschlossen werden. Sonst drohen uns Verhältnisse wie auf Sylt.“
Verschärft wird die Situation durch die drohende Erhöhung der Haftpflichtversicherungsbeiträge. Diese betrifft nicht nur die Hebammen, sondern auch alle Gynäkologen, die Geburten begleiten.
Die zahlreich vertretenen Kinderärzte lenkten das Gespräch noch auf einen weiteren Punkt: Ist es notwendig, dass bei jeder Geburt ein Kinderarzt anwesend sein muss? Hierzu gab es erwartungsgemäß auch unterschiedliche Meinungen, die im Anschluss an das Fachgespräch bei einem Glas Sekt noch lange diskutiert wurden.
Ein gelungener Gesprächsabend, der in das Thema der Fotoausstellung einführte. Die Ausstellung ist noch bis 26.3. montags bis mittwochs von 9 bis 12 Uhr und zusätzlich montags von 13 bis 15 Uhr sowie donnerstags von 13 bis 17 Uhr geöffnet.

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